Die Weinaromen zu ermitteln, das ist für viele von uns die grösste Herausforderung beim Verkosten. Wahrscheinlich aber bloss, weil wir die Sache ohne System angehen. Sobald Sie nämlich genau wissen, wonach Ihre Nase im Wein suchen muss, werden Sie bestimmt auch fündig!
Weinaromen sind vielfältig. Wein riecht nach Früchten, Blumen, Pflanzen, Gewürzen und vielem Anderen. Die Düfte werden nach ihrem Ursprung in drei Kategorien eingeteilt: Primär-, Sekundär-. und Tertiäraromen. Alle Weine zeigen (zumindest in ihrer Jugend) Primäraromen. Alle Weine mit Ausbau haben Sekundäraromen. Die Tertiäraromen sind hingegen den raren grossen Weinen vorbehalten, die sich in der Flasche noch entwickeln können.

Für die Degustation kann es Ihnen helfen zu wissen, welche Aromen Sie überhaupt in welchen Weinen erwarten können. Deshalb habe ich hier die typischen Aromen für Weiss- und Rotweine zusammengestellt.
Der Kenner schnüffelt nun nicht einfach am Glas und hofft, auf Aromen zu stossen. Nein, er sucht den Wein bewusst nach Aromen ab. Zuerst nach Primäraromen, dann aber auch nach Ausbau und Reifearomen.
Intensität
Führen sie das stille Glas (ohne zu schwenken) an ihre Nase.
Ausgeprägt: Sie erkenn am stillen Glas ohne zu schnuppern sofort deutliche Aromen.
Mittel: Sie müssen konzentriert schnuppern, um Aromen klar wahrzunehmen.
Verhalten: Trotz intensivem Schnuppern und auch mit Schwenken erkenn sie kaum Aromen.
Vorgehen
Die Wahrnehmung und Beurteilung des Buketts ist ein wichtiger Schritt bei der Degustation. Die meisten Einsteiger (und auch viele Kenner!) lassen sich einen Grossteil der Weinaromatik entgehen, weil sie immer gleich den Wein im Glas rumwirbeln und drauflos riechen. Wenn Sie diese 4 Tipps beherzigen, werden Sie künftig viel mehr vom Bukett einfangen.
Am Glas riechen
Als erstes schnüffeln Sie am Glas, ohne den Wein darin zu bewegen. Am stillen Glas riechen Sie die leicht flüchtigen, delikaten Aromen. Das sind zum Beispiel grasige Noten oder Blüten, manchmal auch «mineralische» Töne wie Stahl und Stein.
Diese Aromen gehen beim Schwenken des Glases «verloren», weil sie von den schwereren, intensiveren Fruchtaromen übertönt werden.
Wein verwirbeln und riechen
Erst im zweiten Schritt bringen Sie den Wein im Glas zum Rotieren und zwar so, dass die Oberfläche reisst. Dadurch werden die meisten Düfte freigesetzt. Der Wein sollte nur kurz rotieren und du hältst sofort deine Nase ins Glas, damit das Bukett nicht einfach verduftet.
Jetzt kommt die gesamte Palette der Fruchtaromen zum Vorschein. Aber auch Noten von Hefe, Leder, Pfeffer, Lakritz und anderen Gewürzen.
Am leeren Glas riechen
Diesen Schritt lassen sich leider die meisten Weinkenner entgehen. Dabei zeigt der Wein am leeren Glas nochmals eine ganz neue Palette von Aromen. Es sind die sehr schwer flüchtigen Düfte wie Holz und vegetabile Würznoten.
Anfänger sind oft nicht sicher, ob ein Wein im Eichenfass ausgebaut wurde oder nicht. Genau hier schafft das leere Glas Klarheit. Denn gerade bei Weissweinen aus dem Barrique zeigt das letzte Weinrestchen kaum mehr Frucht, dafür umso intensivere Noten wie Vanille, Toast oder Haselnuss. Ein untrügliches Zeichen für den Einsatz von Eichenholz.
Die Retroolfaktion
Die Franzosen unterscheiden bei der Aromatik zwischen «odeur» (Duft) und «arôme» (Aroma). Der Duft wird ausschliesslich in der Nase wahrgenommen, das Aroma am Gaumen. Da wir die Gaumenaromatik also quasi von hinten riechen, nennen wir diesen Riechvorgang «Retroolfaktion».
Dass wir am Gaumen überhaupt Aromatik wahrnehmen, ist der Verbindung zwischen Nasen- und Rachenraum zu verdanken. Oft ist die Duft-Wahrnehmung am Gaumen sogar intensiver als in der Nase, weil der Wein angewärmt wird. Um die Aromatik zu verstärken schlürfen viele Profis. Ein anderer Trick funktioniert so: Sie nehmen einen Schluck auf den Gaumen und schliessen den Mund. Dann atmen Sie leicht durch die Nase aus. So entsteht ein Unterdruck im Nasenraum, der die Aromen nachströmen lässt. Probieren Sie aus, welche Methode am meisten Aromatik bringt.
Die Aromen
Primäraromen
Primäraromen sind nach der alkoholischen Gärung im Jungwein vorhanden. Sie sind häufig sortentypisch wie zum Beispiel das Muskataromen für Muscat, Litschi bei Gewurztraminer oder Kirsche im Pinot Noir. Zu den Primäraromen gehören neben Fruchtaromen auch die floralen und vegetalen Noten.
Wie Sie in der Aufstellung sehen, zeigen Weine im kühlen Klima (also bei knapp reifen Trauben) eher krautige Aromen, bei überreifen Trauben entstehen hingegen Noten von Konfitüre und Dörrfrüchten.

Nachstehend finden Sie die typischen Primäraromen von Weiss- und Rotweinen.
Primäraromen im Weisswein


Primäraromen Rotwein


Typische Beispiele:
Grün: Pinot aus der Schweiz
Rot: Tempranillo aus Spanien
Blau: Bordeaux
Orange: Primitivo aus Süditalien
Sekundäraromen (Ausbauaromen)


Sekundäraromen entstehen beim Ausbau nach der alkoholischen Gärung. Es gibt drei Gruppen von Ausbauaromen.
1. Die Röstaromen vom Ausbau im Barrique
Viele Weiss- und Rotweine werden in kleiner Eichenfässern (Barriques) gereift. Je nachdem wie stark das Holz getoastet wurde entstehen Aromen von Vanille, Karamel oder Rauch.
2. Die buttrigen Noten vom Biologischen Säureabbau
Beim so genannten BSA (Biologischer Säureabbau) wandeln Bakterien im Jungwein die harte Apfelsäure in die milde Milchsäure um. Dabei entstehen buttrige und rahmige Geschmacksnoten. Alle Rotweine machen einen BSA, bei den meisten Weinen wird er jedoch unterbunden. Eine Ausnahme bilden manche Schweizer Chasselas und praktisch alle Weisse, die im Barrique vergoren wurden. Darunter viele Chardonnay.
3. Die hefigen Noten von der Bâtonnage
Oftmals werden Weiswsweine auf dem Hefedepot gelagert. Dieses wird in regelmässigen Abständen aufgerührt. Diese sogenannte «Bâtonnage» verleiht dem Wein Schmelz und hefige Aromen.
Tertiäraromen (Reifearomen)
«Grosszügig geschätzt schmecken etwa 10 % aller Rotweine und 5 % aller Weissweine nach fünf Jahren angenehmer und interessanter als im ersten Jahr. 1 % aller Weine besitzt die Besonderheit, sich über ein bis zwei Jahrzehnte, manchmal auch über längere Zeit weiter zu entfalten.»
Dies sagt keine Geringere als die Buchautorin und Master of Wine Jancis Robinson. Also nur rund 1 % aller Weine haben die Fähigkeit Reifearomen zu entwickeln.

